Weihnachtsgedichte
gelesen von Johanna und Babsi
Georg Christian Dieffenbach
Im Walde steht ein Tannenbaum
Mit Nadeln spitz und fein,
Damit näht sich der Distelfink
Sein buntes Röckelein.
Er stehet da, so kerzengrad',
Und grün ist stets sein Kleid
Im Frühling und im Sommer wohl
Und auch zur Winterzeit.
Christkindlein schickt durch Schnee und Eis
Knecht Ruprecht dann hinaus;
Der schneidet ab den Tannenbaum
Und nimmt ihn mit nach Haus.
Christkindlein hängt mit zarter Hand
Viel Nüss' und Äpfel dran,
Und Lichtlein steckt's auf jeden Zweig,
Dazu auch Marzipan.
Und kommt die liebe Weihnachtszeit,
Da klingelt die Mama. –
Wie steht der grüne Tannenbaum
So bunt und helle da!
Du Tannenbaum im dunklen Wald,
Bald wirst du abgestutzt.
Drum freue dich, dann wirst du auch
Gar herrlich aufgeputzt.
Der Tannenbaum
Es gibt so wunderweiße Nächte
Rainer Mara Rilke
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit, wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Vom Christkind
Anna Ritter
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
Mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
Denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
Schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihre Naseweise, ihr Schelmenpack -
Denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin!
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Winternacht
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Wie ist so herrlich die Winternacht!
Es glänzt der Mond in voller Pracht
Mit den silbernen Sternen am Himmelszelt.
Es zieht der Frost durch Wald und Feld
Und überspinnet jedes Reis
Und alle Halme silberweiß.
Er hauchet über dem See, und im Nu,
Noch eh' wir's denken, friert er zu.
So hat der Winter auch unser gedacht
Und über Nacht uns Freude gebracht.
Nun wollen wir auch dem Winter nicht grollen
Und ihm auch Lieder des Dankes zollen.
Verse zum Advent
Theodor Fontane
Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.
Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.
Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.
Schneeflöckchen
Hedwig Haberkern
Schneeflöckchen, vom Himmel
da kommst du geschneit,
du warst in der Wolke,
dein Weg ist gar weit.
Ach setz dich ans Fenster,
du lieblicher Stern,
gibst Blätter und Blumen,
wir haben dich gern!
Schneeflöckchen, ach decke
die Saaten geschwind.
Sie frieren, du wärmst sie,
so bittet das Kind.
Schneeflöckchen, Weißröckchen
so kommet doch all’,
dann wird bald ein Schneemann,
dann werf’ ich den Ball.
Weihnachtsglocken
Karl Stieler
O Winterwaldnacht, stumm und her,
mit deinen eisumglänzten Zweigen,
lautlos und pfadlos, schneelastschwer,-
wie ist das groß, dein stolzes Schweigen!
Es blinkt der Vollmond klar und kalt;
in tausend funkelharten Ketten
sind festgeschmiedet Berg und Wald,
nichts kann von diesem Baum erretten.
Der Vogel fällt, das Wild bricht ein,
der Quell erstarrt, die Fichten beben;
so ringt den großen Kampf ums Sein
ein tausendfaches banges Leben.
Doch in den Dörfern traut und sacht,
da läuten heut` zur Welt hinieden
die Weihnachtsglocken durch die Nacht
ihr Wunderlied - vom ew`gen Frieden.
Dezemberlied
Franz Grillparzer
Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
Das heißt nichts genommen!
Zwar am Äußern übst du Raub,
Zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck, und fallend Laub
Deine Schmetterlinge,
Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
Deine Blumen, traurig all
Auf gefrornen Scheiben.
Doch der Raub der Formenwelt
Kleidet das Gemüte,
Wenn die äußere zerfällt,
Treibt das Innere Blüte.
Die Gedanken, die der Mai
Locket in die Weite,
Flattern heimwärts kältescheu
Zu der Feuerseite.
Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
Steigt herab auf deinen Laut,
Segenübergossen.
Und der Busen fühlt ihr Wehn,
Hebt sich ihr entgegen,
Lässt in Keim und Knospen sehn,
Was sonst wüst gelegen.
Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
Und die Winter der Natur
Sind der Geister Lenze!
Begegnung
Conrad Ferdinand Meyer
Mich führte durch den Tannenwald
Ein stiller Pfad, ein tief verschneiter,
Da, ohne dass ein Huf gehallt,
Erblickt ich plötzlich einen Reiter.
Nicht zugewandt, nicht abgewandt,
Kam er, den Mantel umgeschlagen,
Mir deuchte, dass ich ihn gekannt
In alten, längst verschollnen Tagen.
Der jungen Augen wilde Kraft,
Des Mundes Trotz und herbes Schweigen,
Ein Zug von Traum und Leidenschaft
Berührte mich so tief und eigen.
Sein Rößlein zog auf weißer Bahn
Vorbei mit ungehörten Hufen.
Mich fasst's mit Lust und Grauen an,
Ihm Gruss und Namen nachzurufen.
Doch keinen Namen hab ich dann
Als meinen eigenen gefunden,
Da Roß und Reiter schon im Tann
Und hinterm Schneegeflock verschwunden.
Knecht Ruprecht
Theodor Storm
Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit grossen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolcht’ durch den finstern Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an:
„Knecht Ruprecht“, rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt’ und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruh’n;
Und morgen flieg’ ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!
Ich sprach: „O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.“ -
„Hast denn das Säcklein auch bei dir?“
Ich sprach: „Das Säcklein das ist hier:
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern.“ -
„Hast denn die Rute auch bei dir?“
Ich sprach: „Die Rute, die ist hier:
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil den rechten.“
Christkindlein sprach:„So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!“
Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hier innen find’!
Sind’s gute Kind’, sind’s böse Kind’?
Weihnachten
Joachim Ringelnatz
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
Mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
Schöne Blumen der Vergangenheit.
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
Und das alte Lied von Gott und Christ
Bebt durch Seelen und verkündet leise,
Dass die kleinste Welt die größte ist.
Weihnachtsfreude
Robert Reinick
Der Winter ist gekommen
Und hat hinweg genommen
Der Erde grünes Kleid;
Schnee liegt auf Blütenkeimen,
Kein Blatt ist an den Bäumen,
Erstarrt die Flüsse weit und breit.
Da schallen plötzlich Klänge
Und frohe Festgesänge
Hell durch die Winternacht;
In Hütten und Palästen
Ist rings in grünen Ästen
Ein bunter Frühling aufgewacht.
Wie gern doch säh' ich glänzen
Mit all den reichen Kränzen
Den grünen Weihnachtsbaum!
Dazu der Kindlein Mienen
Von Licht und Lust beschienen;
Wohl schönre Freude gibt es kaum.
Weihnachten von Rudi
unbekannt
Die Weihnacht ist gekommen es grüßen weit und breit
die frohen Kinderherzen die heilige Jubelzeit.
Am düsteren Waldessaume da steht ein kleines Haus
das weiß nichts von dem Feste, das sieht so traurig aus.
Die Mutter sitzt am Tische und starret vor sich hin,
was geht in dieser Stunde der Armen durch den Sinn?
Da öffnet sich die Türe ihr blasses Kind erscheint
"Oh Mutter" ruft der Kleine "das muß man aber sehn,
wie unsere Nachbarskinder ums Weihnachtsbäumchen stehn.
Da brennen viele Lichtlein, ist helle wie am Tag
die Zweiglein tragen Gaben, wie man sie wünschen mag.
Und Sachen wunder niedlich Spielzeug ist auch dabei
und schöne neue Kleidchen und Naschwerk mancherlei.
Das Christkind hats den Kleinen zum Weihnachtsfest gebracht.
Weil sie so brav gewesen hat es an sie gedacht.
Oh Mutter, liebe Mutter hab ich dich wohl gekränkt,
bin ich nicht brav gewesen, daß es an mich nicht denkt?"
Die Mutter faßt das Büblein und drückt es fest ans Herz
und sagt mit halb ersticktem Schmerz:
"Oh gräm dich nicht mein Lieber, du bist ein braves Kind
das unserer Nachbarskinder gewiss nicht braver sind.
Doch gibt es viele Häuschen und viele Kindlein drin,
das Christkind kann auf einmal doch nicht zu Allen hin."
Das Büblein ist zufrieden, es sieht die Tränen nicht,
die aus Mutters Augen im schnellen Laufe bricht.
Ein Jahr ist nun vorüber. Weihnacht ist wieder da
die Mutter strickt am Tische, klein Büblein ist ihr nah.
Sie faltet still die Hände und seufzt "Mein lieber Sohn
du bist im Paradies, 10 lange Monate schon.
Dort steht gewiss ein Bäumlein für dich in goldener Pracht,
dort schenkt dir schöne Gaben die frohe Weihnacht.
Doch ich arme Mutter, ich habs nicht so gemeint."
sie hält die Hand vors Auge und senkt das Haupt und weint.
Winterlied
Joseph von Eichendorff
Mir träumt', ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Thal hinaus,
Die Luft mit lindem Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mir über Brust und Haupt.
Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond vom Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,
Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war vom Schnee,
Mein Haar vom Alter weiß.
Im goldnen Licht
Ella Hruschka
Zuweilen wirft die Sonne selt'ne Strahlen,
Dass fremder Glanz auf allen Dingen ruht:
Vergoldet sind des ärmsten Schiffleins Masten,
Und eine güld'ne Fracht sind seine Lasten,
Ein Strom von Gold ist die bewegte Flut.
Und manchmal bricht ein Schein aus meiner Seele,
Der solchen Glanz um alle Dinge spinnt -
Geheimnisvolle Kräfte leise weben
Ein Goldgespinst um jegliches Erleben:
Im goldnen Licht des Lebens Welle rinnt.
Weihnachtslied
Theodor Storm
Vom Himmel bis in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht.
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstiller Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich nieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist gescheh’n.
Wenn einer dem anderen Liebe schenkt,
wenn die Not des Unglücklichen gemildert wird,
wenn Herzen zufrieden und glücklich sind,
steigt Gott herab vom Himmel
und bringt das Licht:
Dann ist Weihnachten.
Weihnachtslied aus Haiti